„Es ist wichtig, in einer Demokratie zu leben.“ Darüber sind sich Herr und Frau Österreicher*in mit überwiegender Mehrheit einig. Sie bejahen auch mehrheitlich die Aussage: „In einer Demokratie zu leben ist wichtig.“ Zugleich wachsen die Unzufriedenheit mit der bestehenden Demokratie und europaweit wächst die Zustimmung gegenüber autoritären Regierungsformen.
In vollen Festsaal des Augustinums Graz eröffnete Regina Polak, Professorin für Praktische Theologie und interreligiösen Dialog, die große Ökumenische Sommer.Bildung der katholischen und evangelischen Religionslehrer*innen in der Steiermark. Mit neuer Struktur begann der dreijährige Fortbildungszyklus unter dem Leitgedanken „Mensch sein“. Die Teilnehmer*innen stellten sich in der letzten Ferienwoche in vielen Ateliers der Frage „Demokratie – Mittel zum Zweck oder Voraussetzung?
Trotz der breiten Zustimmung zur Demokratie als wünschenswerte Form gesellschaftlichen Zusammenlebens warnt Regina Polak: „Das Fundament ist brüchig!“ Die 2024 durchgeführte Studie „Was glaubt Österreich?“ ergab, dass 15% der Aussage zustimmen, dass man einen „starken Führer, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss“, haben sollte (knapp 5% finden dies sehr gut, knapp 11% ziemlich gut); 48% finden dies sehr schlecht (weitere 20% eher schlecht). Eine Expertenregierung anstelle der Regierung befürworten 55%. Letzteres ist interessant, aber auch wenig demokratisch. Hierarchien, Dominanz und Ungleichheit in Gruppenbeziehungen werden bevorzugt und gerechtfertigt, insbesondere gegenüber Gruppen mit niedrigerem sozialem Status.
Mittelfristig wird ein „Kampf“ um die Demokratie notwendig, so Polak, der sich Tendenzen des illiberalen Demokratieverständnisses entgegenstellt. Es braucht eine verstärkte Antrengung für den Demokratieerhalt. Das in Österreich und darüber hinaus verbreitete „Ich weiß-Nicht“-Verhalten"schwächt die Demokratie und führt zu Demokratieverlust. "Demokratie“, so Polak, „ist eine Lebenshaltung.“ Sie ist täglich neu zu erarbeiten.
Religiosität ist ein wichtiger demokratiepolitischer Faktor. Sowohl subjektive Praxis und Intensität als auch die Auslegung der Heiligen Schrift wirken sich auf das Demokratieverständnis aus. „Wenn wir Gott immer als übermächtigen ‚Zampano‘ verkünden, hat dies zur Folge, dass „sich das demokratiepolitisch sehr autoritär auswirkt.“, so Polak. Religiöse Gemeinschaften sind aufgerufen, Antworten zu geben, wie wir eine gerechte Freiheitsordnung leben können. Gemeinden waren früher ein Ort, an denen man mit dem Widersprüchen zusammenzuwohnen und zu leben versuchte. Sie waren Orte der Entwicklung von Demokratie und gerechter, freiheitlicher Ordnung. Mit ihrem Bedeutungsverlust geht auch ein Verlust an Demokratiearbeit einher.
Die Schule ist ein wesentlicher Ort der Demokratiebildung. Das tägliche Aushandeln und die Ermöglichung von Teilhabe betreffen auch den Religionsunterricht. „Die biblische Wirklichkeit der vier Evangelien ist ein Bekenntnis zu Vielfalt und Diversität, die grundlegend für eine Demokratie sind“, so Polak. Sie rundete ihre Impulse mit der Ermutigung ab: „Lassen Sie die Kinder träumen von einem guten Leben. Das tun sie eigentlich von selbst, wenn man es ihnen nicht durch vorzeitig vermittelten Realismus austreibt.“
Dem Eröffnungsimpuls folgte die Segensbitte durch Bischof Wilhelm Krautwaschl und Superintendent Wolfgang Rehner. In unterschiedlichen Ateliers wurde der Stärkung der Demokratiekompetenz nachgegangen. Die Ökumenische Sommer.Bildung ist damit ein wertvoller Beitrag zum Schwerpunkt Demokratiekompetenz des Bundesministerium für Bildung.
Bilderreigen: Gerd Neuhold (Sonntagsblatt) & Christian Brunnthaler
Christian Brunnthaler