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Ausstellung EIN.UND.ZWANZIG

Ausstellung EIN.UND.ZWANZIG
Zur Vernissage der Ausstellung EIN.UND.ZWANZIG

EIN.UND.ZWANZIG
Die Ausstellung heißt 21. Der augenfälligste Grund dafür ist, dass es 21 Bilder sind, die wir hier zu sehen bekommen. Ja, es handelt sich um eine Zahl, aber nur in zweiter Linie um die Zahl der Bilder. Es war eine feine Idee der Elterninitiative Sonnenkinder, mit der Zahl der Bilder und dem Namen der Ausstellung Form und Inhalt miteinander zu verbinden. Denn, die Sonnenkinder, die wir auf den Bildern sehen, unterscheiden sich in einem genetischen Merkmal von anderen Kindern: Eines von 23 Chromosomen, die jeder Mensch hat, in der wissenschaftlichen Systematik der Genetik das 21te, liegt nicht zweimal vor, sondern dreimal. Der DNA-Strang in einer Zelle teilt sich, damit Keimzellen entstehen können, die jeweils keinen doppelten, sondern einen einfachen Satz Chromosomen haben. Dann verbinden sich die Chromosomen des Vaters und der Mutter wieder zu einem doppelten Satz. Bei der Aufspaltung der Chromosomen kann es vorkommen, dass diese nicht ganz vollständig ist. Dann treffen zwei väterliche oder mütterliche Chromosomen auf ein drittes. Und das kommt nicht so selten vor. Etwa jedes 700te oder 800te Kind wird mit Trisomie 21 geboren. Die Zahl wäre noch deutlich höher, wenn sich nicht etwa 90 % der Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden.
Genetische Unterschiede sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sehen Sie sich um. Menschen mit blonden, mit schwarzen Haaren, unterschiedlichen Augenfarben, Körperbau, Hautfarbe, nicht zu vergessen Männer und Frauen, ein kleiner Unterschied im 23. Genom. John Langdon-Down hat im 19. Jahrhundert in seinem Heim für Menschen mit Behinderung in Earlswood mit Menschen mit Trisomie 21 gearbeitet und im Unterschied zu vielen seiner Zeitgenossen herausgefunden, dass diese selbstständig leben konnten und lernfähig waren. Er hat gern mit ihnen gearbeitet und sich für sie interessiert. Als Arzt, als Wissenschafter, als Mensch. Daher spricht man auch vom Down-Syndrom.
Die PPH Augustinum setzt sich für Inklusion ein. Sie nimmt Studierende mit Behinderungen auf, bildet Pädagoginnen und Pädagogen im Schwerpunkt Inklusion in der Primarstufe und gemeinsam mit der PH Steiermark und der Universität Graz in der Spezialisierung Inklusion in der Sekundarstufe aus, sie arbeitet an inklusiver Schulentwicklung mit und trägt gemeinsam mit der PH Steiermark das vor kurzem initiierte Netzwerk Inklusive Bildung mit.
Als Pädagoginnen und Pädagogen, die sich mit Inklusion beschäftigen, tun wir uns schwer mit Kategorisierungen. Freilich braucht es Menschen wie John Langdon-Down, die die Besonderheit dieser Menschen studiert haben, um ihnen Bildung und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Einordnung in eine Kategorie kann helfen, um geeignete Förderung zu ermöglichen, um die Bildungschancen zu verbessern, um Ressourcen für das Kind zu bekommen.
Aber in dieser Kategorisierung liegen auch Gefahren: Wir dürfen nicht glauben, dass wir mit einer Diagnose wie Trisomie 21 alles Nötige über ein Kind wissen. Das Gegenteil ist wahr. Wir wissen damit sehr wenig über das Leben und die Bildungschancen von Kindern und dieses Wenige verstellt oft den Blick auf die Besonderheit des einzelnen Kindes. Wir müssen als Pädagog*innen unseren Blick öffnen und achtsam sein für das, was ein Kind kann, auch wenn wir es vielleicht von ihm nicht erwarten – auf die kleinen Sonnenstrahlen, die wir von diesen Kindern empfangen.
Und Kategorisierungen führen schnell dazu, falsche und gefährliche Schlüsse zu ziehen. Erst vor einem Monat schilderte ein Artikel im Standard über den renommierten Autismusforscher Hans Asperger, wie schnell das 1941 ging: Eine Diagnose genügte für die Einweisung eines Kindes in die Anstalt „Am Spiegelgrund“ und nach zwei Monaten war das Kind tot. Wir leben zum Glück nicht mehr im Nationalsozialismus, aber wir sollten immer achtsam sein.
Es liegt immer nahe, aus einer Diagnose abzuleiten, dass es ein spezielles, meist reduziertes Bildungsangebot, in der Folge besonders ausgebildete Lehrer*innen, spezielle Therapien geben müsse und dass dafür nur spezialisierte Einrichtungen zuständig seien. Das Gegenteil ist wahr. Gerade bei Schülerinnen und Schülern mit Trisomie 21 hat die gemeinsame Schule für behinderte und nicht behinderte Kinder ihre größten Erfolge gefeiert. Kinder mit Trisomie 21 gehören ganz selbstverständlich zum Erscheinungsbild einer österreichischen Schule. Sie können und sollen gemeinsam mit anderen spielen, lernen und leben. Dabei werden sie, das kann man aus Studien ablesen, gut gefördert, sie lernen viel von anderen und sie sind, wie der Name der Elterninitiative sagt, mit ihrer Freundlichkeit, Wärme und Nähe Sonnenkinder nicht nur für ihre Eltern, sondern auch für ihre Klassenkolleginnen und Lehrerinnen.
Pablo Pineda ist der erste Europäer mit Trisomie 21, der einen Universitätsabschluss hat. Er sagt: „Es ist keine Krankheit! Es ist eine Kondition, ein Zustand. So wie der eine blond ist, habe ich eben das Down-Syndrom“ und stellt fest: „Das größte Manko der Gesellschaft ist, das Anderssein nicht verstehen zu können.“
Diese Ausstellung soll dazu beitragen, Menschen mit Trisomie 21 und deren Besonderheit ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken. Eine Bildungseinrichtung wie das Augustinum mit Kindergarten, Schule, Gymnasium und Hochschule ist ein guter Ort für diese Ausstellung. Sie steht stellvertretend für die Forderung eines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen, wie dies die UN-Konvention von uns fordert.
Herzlichen Dank an alle, die diese Ausstellung und die Vernissage ermöglicht haben: An Gudrun Unterweger, die gemeinsam mit dem renommierten Fotografen Roland Froschauer die Idee entwickelte und umsetzte, an ihre ganze Familie und das Hauspersonal am Augustinum und Brigitte Buchinger, die die Ausstellung nach Graz gebracht und aufgestellt haben, an Mathias Hunger von der Elterninitiative, der in berührenden Worten beschrieb, was es bedeutet, als Eltern mit einem Kind mit Trisomie 21 konfrontiert zu sein, an Sandra Seiwald und Gudrun Topf, die mit ihren einfühlsamen Liedern die Vernissage begleiteten, an Rektor Siegfried Barones, der die Initiative von Beginn an unterstützte und bei der Eröffnung auf die Lebensbejahung hinwies, die die Bilder ausstrahlen und an Elisa Kleißner, die die Vernissage organisierte und dokumentierte.
David Wohlhart

Bilderreigen von der Vernissage am 24. Mai 2018
Fotos: Elisa Kleißner